Vorträge

„Glückssuche und Abwehrzauber: Japans Tempel und Schreine als Supermärkte für diesseitige Heilsversprechen?“

Vortrag von Dr. Inga Streb

Universitätsclub Bonn e.V., Konviktstr. 9, Bonn

Dienstag 18.10.2022, 19:00 Uhr

Die aktive Teilnahme am religiösen Leben scheint im heutigen Japan wesentlich von dem Wunsch nach weltlichem, erlebbarem Glück und Wohlergehen motiviert zu sein. Der Erwerb von „Diesseitigem Nutzen“, dem sogenannten „genze riyaku“ 現世利益 steht eindeutig im Mittelpunkt. Die Fachwelt und der Augenschein sprechen hier eine deutliche, gemeinsame Sprache.

Vor den Verkaufsständen der Tempel und Schreine drängen sich die Gläubigen, um mit dem Kauf etwa eines Amuletts oder einer Votivtafel ihrem Gebet an die Gottheit Nachdruck zu verleihen. Das Angebot an die Hilfesuchenden ist so groß und reichhaltig, dass vor Ort oder online für jede Katastrophe und jedes Zipperlein ein Hilfsmittel zu erwerben ist: Sei es für die Bitte um einen „Schnellen Tod“, die Abwehr von Demenz oder die Befreiung von Hämorriden.

Der Buchhandel unterstützt – oder befeuert – mit Magazinen und handlichen Buchausgaben diesen Trend. In Japan hat es schon vor Jahrhunderten Handbücher für den frommen Pilger und spezielle Reiseführer zu den einschlägigen heilsversprechenden Orten und deren Angebot an „Diesseitigem Nutzen“ gegeben. Der jetzige Boom auf dem Markt der Ratgeberliteratur ist seit einigen Jahren zu beobachten. Die heutigen Titel kreisen u.a. um Schlagworte wie „Amulette“, „Horoskope“ oder „Kraftorte“ und bieten dem Leser beispielsweise „Spaziergänge zu den „Diesseitigen Nutzen in Tokyo“ (Tōkyō goriyaku sanpo) an oder nennen „Die 151 besten Schreine für die Erfolgreichen“.

Im Vortrag soll in einem Überblick kurz die Entwicklung der relevanten Reise- und Pilgerliteratur vorgestellt werden. In Bezug auf die genze riyaku liegt der Schwerpunkt auf jenen „Diesseitigen Nutzen“, die die „modernen“ Lebensbedingungen wie beispielsweise auch die heutigen Probleme des demographischen Wandels thematisieren. Und nicht zuletzt stellt sich zudem die Frage, welchen Stellenwert sowohl die junge wie die ältere Generation diesen Aktivitäten in ihrem Lebensentwurf beimisst.


Dr. Inga Streb
Studium der Japanologie (Schwerpunkt Japanische Sprache und Literatur), Sinologie und der Japanischen Volkskunde. Promotion 1976 an der Ruhr-Universität Bochum bei Prof. Dr. Bruno Lewin. 1973–1976 und 1979–1995 Aufenthalte in Japan mit Deutsch-Unterricht an den Universitäten Yokohama Kokuritsu Daigaku (Yokohama National University) und Kokugakuin Daigaku (Kokugakuin University). Publikationen zu japanspezifischen Themen. Teilnahme am regulären kōdō-Unterricht (Duftzeremonie) der Shinō-Schule in Tōkyō. Bearbeitung von Alt-Japonica in der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB). Versch. Projekte wie beispielsweise die Katalog-Bearbeitung der jap. Handschriften für die Schatzkammerausstellung „Liebe, Götter und Dämonen“ im Jahr 2008 mit Schwerpunkt „Genji monogatari“. Arbeiten und Vorträge u.a. jap. Duftzeremonie (kōdō), einheimischen Piraten (Murakami suigun) in der Setonaikai (Inlandsee), Studien zum jap. sog. „Blindenkalender“ (mekura goyomi), einer Sonderform des vormodernen Lunisolarkalenders im Nordosten Japans.

Quellenangaben für die Bilder:
private Aufnahmen der Autorin

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