Seit sich das mythische Götterpaar Izanagi und Izanami im Streit vor dem Eingang zur Totenwelt für immer trennte, dauern die Spekulationen über ein Nachleben der Verstorbenen in einem Jenseits an. Die etablierten Religionen und die Vertreter volkstümlicher Glaubenswelten haben zahlreiche konkurrierende, auch sich gegenseitig ausschließende Sichtweisen vorgeschlagen.
Im Vortrag geht es ausdrücklich um die derzeitigen, aktuellen Anschauungen vom Nachleben der Verstorbenen. Die aus dem Shintō, dem Buddhismus oder aus dem sogenannten Volksglauben überkommenen Traditionen, welche bereits seit Jahrzehnten intensiv bearbeitet wurden und in vielen Sprachen vorliegen, dienen hier als notwendiges Ausgangsmaterial.
Es soll nachgefragt werden, was – außerhalb der kanonisierten Lehren – von diesen Vorstellungen überhaupt noch im Alltag lebendig ist. In welcher Form und in welchem Gewand zeigen sie sich heute (noch)? Werden sie nach wie vor als „religiös“ gedeutet? Gehören beispielsweise die verschiedenen Typen der Geister überhaupt zu einem Jenseits? Haben sie dort ihren „operativen Ausgangspunkt“?
In der literarischen und bildnerischen Darstellung gab und gibt es zahlreiche eindrucksvolle Interpretationen dieser (und weiterer) Fragen. Eine Auswahl dieser Bilder wird den Vortrag zur Unterstützung begleiten. Daneben bieten insbesondere PC-Videospiele aber auch andere Games ein sehr umfangreiches Reservoir an Anschauungsmaterial, um die Frage nach Vorhandensein und Beschaffenheit eines Jenseits zu illustrieren. So können beispielsweise die Protangonisten der Spiele, die im Kampf ihr Leben verlieren, dieses in der nächsten Minute wieder gewinnen und wieder verlieren, usw. Sie pendeln somit zwischen immer neuem Tod und immer neuem Leben, zwischen Multimortalität und Wiedergeburt.
Dr. Inga Streb
Studium der Japanologie (Schwerpunkt Japanische Sprache und Literatur), Sinologie und der Japanischen Volkskunde. Promotion 1976 an der Ruhr-Universität Bochum bei Prof. Dr. Bruno Lewin. 1973-1976 und 1979-1995 Aufenthalte in Japan mit Deutsch-Unterricht an den Universitäten Yokohama Kokuritsu Daigaku (Yokohama National University) und Kokugakuin Daigaku (Kokugakuin University).
Publikationen zu japanspezifischen Themen. Teilnahme am regulären kôdô-Unterricht (Duftzeremonie) der Shinô-Schule in Tôkyô. Bearbeitung von Alt-Japonica in der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB). Versch. Projekte wie beispielsweise die Katalog-Bearbeitung der jap. Handschriften für die Schatzkammerausstellung „Liebe, Götter und Dämonen“ im Jahr 2008 mit Schwerpunkt „Genji monogatari“. Arbeiten und Vorträge u.a. jap. Duftzeremonie (kôdô), einheimischen Piraten (Murakami suigun) in der Setonaikai (Inlandsee), Studien zum jap. sog. „Blindenkalender“ (mekura goyomi), einer Sonderform des vormodernen Lunisolarkalenders im Nordosten Japans.