NACHRUF Dierk STUCKENSCHMIDT (1939-2020)
Lebenslauf
Dierk Stuckenschmidt war im Jahr 1976 Mitbegründer, sogar Initiator der Bonner Deutsch-Japanischen Gesellschaft (DJG Bonn). Er war nicht der Erste Präsident der DJG in Bonn, sondern sein Lehrer an der Universität Bonn, nämlich Herbert Zachert (1908-1979). Zachert, der zwischen 1933 und 1947 in Japan lebte, war seit 1960 erster Professor für Japanologie an der Bonner Universität am Institut für Orientalische Sprachen.
Dierk Stuckenschmidt hatte das Abitur im Jahr 1958 am Städtischen Gymnasium in Brühl abgeschlossen, dann in Bonn studiert. In seinem letzten Buch „Abschied von unseren Freunden“ (2019) hatte er sich über seine Studienzeit so geäußert, dass er jede Menge Vorlesungen besucht hatte in einer Vielfalt sondergleichen. Er war in der Philosophischen sowie in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät eingeschrieben: Vorlesungen über Vergleichende Religionswissenschaft und Kunstgeschichte interessierten ihn; aber auch große Beachtung schenkte er der Literaturwissenschaft, Germanistik, Romanistik und Anglistik; Hilfskraft war er am Englischen Seminar und konnte mit einem DAAD-Stipendium England und die USA besuchen. Und dann – Japanisch.
Genau in diesem Jahr 1966, als Stuckenschmidt in Bonn beim Deutschen Akademischen Austausch-Dienst (DAAD) eingestellt worden war, ist die Japanologie an der Universität Bonn unter der Leitung von Professor Zachert selbstständig geworden.
Dierk Stuckenschmidt hatte dann zehn Jahre lang als Referatsleiter für Westeuropa gearbeitet; anschließend – 1976 – als Leiter der Arbeitsstelle für das ausländische Hochschulwesen. Genau in diesem Jahr ist die Bonner Deutsch-Japanische Gesellschaft gegründet worden. Im DAAD hatte Stuckenschmidt schon seit langem Kontakt mit Japan und man muss ihn als engagierte Person nennen, weil er von Anfang an Mitglied dieser Deutsch-Japanischen Gesellschaft war. Und wenn er in Deutschland war, hatte er oft die Veranstaltungen der DJG in Bonn besucht.
Wenn man auf die Publikationen von Dierk Stuckenschmidt weist, dann ist seine erste Publikation (!) über Japan und die Entstehung der DJG in Bonn absolut perfekt gemacht, nämlich im gleichen Jahr. Dieses Buch hat den Titel „Reisen und Leben in Japan“, erschienen im Verlag Erdmann in Baden-Württemberg mit 403 Seiten. Dieses Buch, sozusagen ein Themenreiseführer, ist 1976 erschienen, genau wie die Gründung der DJG in Bonn!
Stuckenschmidt war nachher in Bonn Referatsleiter für China und Südostasien; und wurde dann nach Tokyo berufen als Zweiter Außenstellenleiter für Japan, das Amt, das er zwischen 1983 und 1988 ausübte. Zurückberufen war er Referats- bzw. Gruppenleiter für alle Länder in Ost- und Südeuropa; dann der Vierte Außenstellenleiter für Japan zwischen 1994 und 1999. Tokyo war sein letzter Dienstort. Auch sein Lieblingsort. Im August 1999 war der Eintritt in den Ruhestand; in diesem Jahr wurde ihm das Bundesverdienst-Kreuz verliehen für diese mehr als 33 Jahre lange Leistung für den DAAD. Danach vorbildliches Engagement in der Bonner DJG und organisierte regelmäßig zahlreiche Studienreisen nach Japan.
Literarische Begabung
Stuckenschmidt hat viele Bücher über Japan geschrieben und herausgegeben. Alle Bücher können wir nicht erwähnen. Aber solche Bücher werden hier besprochen, die sehr populär wurden und die Liebe und die Kenntnisse über Japan verdeutlichen. „Japan mit der Seele suchen. Innenansichten einer immer noch rätselhaften Kultur und Gesellschaft. Ein Schlüssel zum Verständnis des modernen Japan und der Japaner“ (Bern, München, Wien: Scherz-Verlag, 1988, 288 S.). Dieses Buch ist die Krönung seines ersten (!) langjährigen Aufenthaltes in Japan, wo er für die DAAD-Außenstelle über fünf Jahre tätig war.
Als zweiter bzw. vierter Leiter der DAAD, insgesamt fast 14 Jahre lang, hatte er in seinen Büchern zwei Begabungen präsentiert, die Schönheit des Landes und seine literarische Begabung. Zuerst die literarische Begabung!
Er hatte zwei Romane verfasst. Nämlich „Fenix. Tagträume von Kirschblüten, Liebe und japanischen Göttern“, Roman (Königswinter-Rostingen: Rostinger Hof-Verlag, 2002, 224 S.). „Die Tagträume meines Fenix“, so der Autor, „sind eigentlich meine eigenen aus den Jahren in Tokyo, als ich von der Riesenstadt gefangen war und doch so gern im ruhigen, alten Gebiet der Tempel und Gärten von Kyoto und Nara spaziert wäre. Ich habe sie zwei anderen deutschen Gaijin übertragen und mit Elementen einer etwas abenteuerlichen Jagd nach einer jungen Dame gespickt. Die geht gottseidank glücklich aus, und auch das Traumland Japan erschließt sich sehr freundlich“ (zitiert aus OAG-Notizen, 2002, Nr. 9, S. 37-41).
„Fenix“ ist der Name des Autors, ein in Kyoto mit dem Phoenix-Motiv in der japanischen Kunst befasster deutscher Gastwissenschaftler, nämlich Stuckenschmidt. Der zweite Roman heißt „Fenix und der Rauschgiftbuddha vom Biwasee“. Roman, 2003 (208 S.; auch im gleichen Verlag erschienen). Diese Geschichte vom „Rauschgiftbuddha“ ist die Fortsetzung des vorigen Romans „Fenix. Tagträume von Kirschblüten, Liebe und japanischen Göttern“, der die romantische Begegnung von Fenix und Isako im traditionsreichen Kyoto zum Inhalt hat. Der Autor gerät unversehens in einen Kriminalfall. Die ihm und seinen japanischen Kollegen zur Restauration anvertraute Buddha-Statue erweist sich als Schlüssel zur Aufdeckung eines Rauschgiftskandals. Höchste Gefahr für Fenix und seine junge Braut Isako! Diesmal steht der Biwa-See im Mittelpunkt der Reisesehnsucht des Erzählers. Stuckenschmidt ist mit einer Japanerin verheiratet, vielleicht auch fasziniert von einem anderen deutschen Autor namens Max Dauthendey, der den Bestseller „Die acht Gesichter am Biwasee“ (1911) geschrieben hatte. So sind die Lokalschilderungen wie auch so manches andere, nicht zuletzt die Sehnsucht nach Japan, durchaus authentisch.
Reiseführer
Stuckenschmidt ist nach seinem Ausscheiden aus dem DAAD und nach dem Einzug in den Ruhestand perfekt jung geblieben. Seine Tätigkeit hat sich nicht geändert. Er hatte das Land Japan zuerst in ungezählten dienstlichen und danach in privaten Reisen bis in seine letzten Winkel kennengelernt, unterstützt von seiner japanischen Ehefrau Yoshie. Im Jahr 2003 hatte er ein Buch herausgegeben „Als Brückenbauer hatte ich oft die herrlichsten Ausblicke“ (Königswinter-Rostingen: Rostinger Hof-Verlag [Books on Demand], 432 S.).
Drei Jahre danach im Jahr 2006 ist das Buch „Japans 99 irdische Paradiese. Ein persönlicher Reiseführer“ erschienen, auch in seinem eigenen Verlag [Books on Demand]. Darin wird ausführlich über die Nara-, Heian- und Kamakura-Zeit (vom 7. bis zum 14. Jhdt.) in Bezug auf die Landschaft, Bauten und die Kunst geschrieben (468 S.). Es ist kein oberflächlicher Reiseführer; es gibt zu den berühmten touristischen Sehenswürdigkeiten auch unbekannte Orte zu finden, die eine überzeugende historische und ästhetische Faszination auslösen. Man sieht alles nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen. Und er erwähnt auch, was ihn das ruhige Land abseits der Touristenmassen fasziniert hat. Es sind wirklich lohnende Tagesziele ausgewählt. Ein Weg in die Kunst.
Stuckenschmidt hat nicht aufgehört, über die Ästhetik Japans zu schreiben. Im Jahr 2010 erschien ein neues Buch mit dem Titel „Japan – Rätselhaftes Wunderland? Sieben Antworten auf Fragen von Nichtjapanern“ [Books on Demand, 116 S.]. Er verband in seinen Ausführungen die Moderne Japans als industriell und wirtschaftlich drittgrößtes Land der Welt, in der kapitalistischen Realität des 20. Jahrhunderts angekommen, doch wieder mit den prägenden Geschichtsepochen, die durchgehend die Bevölkerung Japans durch alle Zeiten in die Kultur einbrachten. Die Großstädte sind nicht von anderen Ländern zu unterscheiden. Aber die Gesinnung der Menschen macht es möglich, dass durch 2000 Jahre der Kaiser immer noch als zeitlose Vaterfigur verstanden wird. Das zuletzt veröffentlichte Reisebuch stammt auch aus seinem Eigenverlag 2018 unter dem Titel „Japan. Kultur und Geschichte – ein persönlicher Reiseführer“; für Stuckenschmidt war Japan seine zweite Heimat. Oder die erste?
Ästhetik
Das größte und schönste Buch, das Dierk Stuckenschmidt geschrieben hatte, trug den Titel „Todai-Ji oder: Des Alexios von Dor lange Reise nach China und Japan“, erschienen im Hibarios Verlag, Kaarst (NRW): 2009, 428 Seiten. Es ist ein historischer Roman; auch ein Reisebericht für Japanliebhaber; und – eine fantasievolle Idee!
Die ersten Europäer, die nach Japan kamen, waren drei Portugiesen, die mit einem chinesischen Schiff 1543 an der südlichen Insel Tanegashima landeten. Bekannt wurde Japan vorher aus einem Buch von Marco Polo, der lange Jahre in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert in China tätig war und über Japan berichtete. Aber Stuckenschmidt hat sich was Anderes ausgedacht: einen Europäer mit Namen Alexios von Dor, der im 8. Jahrhundert schon Japan besucht hatte. Dieser Alexios von Dor war der „Ur-Marco-Polo“; geboren in Palästina, Studienjahre in Konstantinopel, also Christ, und dann eine Reise über die Seidenstraße, die es seit der Römerzeit gab, nach Ostasien. Und er blieb in Japan, wo er sehr angesehen war und gestorben ist.
Das Thema ist nicht nur der Todai-Tempel [Todai-ji], das größte buddhistische Bauwerk aus Holz, das im Jahre 752 eingeweiht wurde. Oder Nara, damals Hauptstadt von Japan. Auch mit anderen Tempeln, die großartige Architektur vorstellen, und die schöne Natur ringsum. Die Thematik ist ein Vergleich Japans mit der westlichen Welt, mit dem düsteren Europa des Mittelalters mit diesem neuen Land, das Alexios von Dor entdeckte. Und damals, als Stuckenschmidt in Japan weilte, hatten japanische Wissenschaftler – so das Buch – auch die Biographie von Alexios von Dor aufgespürt. In einer Buddha-Statue wurden alte Schriften gefunden, die als Füllmaterial dieser Statue benutzt wurden und von Alexios stammten.
Im Internet gibt es eine ausführliche und hervorragende Rezension über dieses Buch resp. die Lebenslegende dieser Person Alexios von Dor und – über Dierk Stuckenschmidt, auf die ich gerne verweise. Dieser Rezensent schreibt auch, dass die Leidenschaft und die Schreibfreude des Autors wahrlich anzumerken ist: misteraufziehvogel.blogspot.com/2016/08/rezension-todai-ji-dierk-stuckenschmidt.html
DJG Bonn
Die Mitglieder der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bonn bewundern Dierk Stuckenschmidt hinsichtlich seiner Leistung. Er hat mit Rat und Tat dieser DJG geholfen. Und wohnte an einem schönen Ort, sozusagen in der Natur. Im Rostinger Hof im rheinischen Siebengebirge in Königswinter. Dieser Rostinger Hof war in der Vergangenheit ein Bauernhof und wurde umgestaltet auch zu einem schönen Atelier, wo seine Frau Yoshie und Dierk Stuckenschmidt Keramik herstellten und ausstellten; alles Japan bezogen, u.a. Blumenvasen oder Teegefäße. Manches Mal waren die Mitglieder der DJG Bonn hier eingeladen. Eine angenehme Atmosphäre. Wir erinnern uns gerne und mit Dankbarkeit an Dierk Stuckenschmidt.
Deutsch-Japanische Gesellschaft Bonn
(Der Vorstand)