Die öffentliche Wahrnehmung der japanischen Kultur ist eng mit dem Begriff der Harmonie verbunden. Der historische Ursprung des viel beschworenen japanischen Harmoniestrebens wird dabei bisweilen in der traditionellen Reisanbaugesellschaft gesucht. Damit wird jedoch in den Hintergrund gedrängt, dass natürlich auch die ländliche Gesellschaft des vormodernen Japans keineswegs rein harmonisch, sondern von vielen verschiedenen Auseinandersetzungen geprägt war und komplexe Mechanismen der Konfliktaustragung und -regulierung entwickelte. Diese sind von Seiten der japanischen Geschichtswissenschaft bereits seit den späten 1980ern intensiv erforscht worden. Dabei wurde insbesondere der Wandel der lokalen Konfliktregulierung im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche des 16. und 17. Jahrhunderts diskutiert, welche als Ende des Mittelalters und Beginn der Frühen Neuzeit verstanden werden.
Doch worum stritten sich die Menschen in dieser Zeit und wie trugen sie ihre Auseinandersetzungen aus? Wie wurden diese Konflikte „gelöst“ und welche Rolle spielten dabei die kriegeradeligen Autoritäten oder die lokalen Tempel? Diesen und anderen Fragen möchte ich in meinem Vortrag auf der Basis von Quellen nachgehen, die aus dem Dorf Ōsone im Süden der Provinz Hitachi (heute: Präfektur Ibaraki, Stadt Tsukuba) überliefert sind. Anhand konkreter Beispiele soll ein Einblick in die keineswegs immer harmonische Welt eines japanischen Dorfes zu Beginn der Frühen Neuzeit gegeben werden.
Benjamin Schmidt: hat Geschichte und Japanologie an der Ruhr Universität Bochum und Asienwissenschaften an der Universität Bonn studiert. In seiner Masterarbeit widmete er sich einer Untersuchung der verschiedenen Akteure und Institutionen der frühneuzeitlichen Konfliktregulierung anhand von Quellen aus dem Dorf Ōsone im heutigen Tsukuba. Zurzeit ist er Doktorand in Bonn und forscht zu spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Verwaltungsdokumenten aus der Region Uchiura auf der Izu-Halbinsel. Zu seinen Interessensgebieten gehören die Sozialgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Regionalgeschichte, vormoderne Schriftpraktiken und Paläographie.